ENGLAND: Kirsty Major über Blindheit, Begabung und Brexit – 1


 
Graphic representation of an artistic and colorful heart

Bild: © Jürgen Werner Apel (Mannheim/Deutschland)

 
 

Unser Interkulturelles Netzwerk für begabte, hochbegabte, vielbegabte, höchstbegabte, hochsensible und synästhetische Einheimische, Arbeitsmigranten, Flüchtlinge und Asylsuchende möchte seinen Mitgliedern und Besuchern den Blick, Denken und Gefühl von Menschen eröffnen, die wir sonst niemals treffen würden.

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Für uns biologisch Sehende ist Blindheit in der Vorstellung etwas Schlimmes, weil wir nicht wissen, ob wir selbst mit Blindheit als Betroffene klarkommen würden. Wie gut man als Betroffene mit Blindheit umgeht, hat auch etwas mit Zuversicht und Begabung zu tun. Dieses Interview ermöglicht uns, aus erster Hand zu erfahren, wie die Welt und die Sichtweise einer blinden begabten jungen Frau aussieht. 

Unser Mitglied heißt Kirsty Major. Sie lebt und arbeitet in England.
Kirsty erzählt uns im folgenden Interview ihre Sicht zum Thema „Blindheit, Begabung, Berufliches und Brexit“.

 

Ich danke dir, liebe Kirsty, ganz herzlich für deine Offenheit und für deine sehr wertvollen Antworten, die uns die Augen öffnen.

 

Herzliche Grüße aus Wuppertal/Deutschland

Çiğdem 

 
 
Kirsty Major´s portrait

Bild: © Kirsty Major (England)

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Das Interview führte Çiğdem Gül

08.08.2018

INTERVIEW

 

Çiğdem Gül: Merhaba Kirsty´ciğim, nasılsın?

(übersetzt: „Hallo, liebe Kirsty. Wie geht es dir?“)

Kirsty Major: İlk olarak röportaj davetin için çok teşekkür ederim, Çiğdem’ciğim. Ben iyiyim. Sen nasılsın?

(übersetzt: „Liebe Çiğdem, zunächst möchte ich mich ganz herzlich für die Einladung zum Interview bedanken. Mir geht es gut. Wie geht es dir?“)
 

Çiğdem Gül: Bende iyiyim, çok teşekkür ederim. — Ich finde es einfach herrlich, dass ich mich mit dir auf Englisch, Deutsch und Türkisch unterhalten kann. Bei dieser Gelegenheit möchte ich dich fragen, wie du bei fehlendem Sehvermögen andere Sprachen erlernst? Wie erlernen blinde Menschen allgemein Sprachen, die wie z. B. Chinesisch sogar eine andere Sprachlogik haben?

Kirsty Major: In meiner Schulzeit waren Sprachen einer meiner Hobbys gewesen. Erstens, weil sie mich faszinierten; zweitens, weil ich einigermaßen gut darin war; und drittens, weil man nicht unbedingt sehen muss, um Sprachen zu lernen. Als ich ca. 15 Jahre alt war, hatte ich für Freunde übersetzt, und das war für mich ein schönes Gefühl gewesen. Ich konnte etwas für sie tun, das sie selber nicht konnten. Ohne diese Hilfe hätten sie mehr Probleme gehabt, sich zu verständigen.

Blinde haben beim Erlernen einer Fremdsprache ihre eigenen Methoden und/oder unterschiedliche Lernmethoden, die sie anwenden. Ich hatte z. B. wenig Freude an Fernsehserien, in denen ich die Geschichte aufgrund meines fehlenden Sehvermögens nicht verstehen konnte. Die ganzen visuellen Informationen haben mir nicht genützt. Zudem kann ich keine Untertitel lesen. Aber Podcasts sind für mich praktisch und schön, weil ich nichts verpasse.

Es gibt Blinde, die sich nur auf ihrem Gehörsinn verlassen.

Wenn ich beim Erlernen einer neuen Sprache ein mir noch nicht bekanntes Wort höre, so schreibe ich ihn mir sofort auf, damit ich ihn nicht vergesse. Wenn ich es aufschreibe und weiß, welche Buchstaben ich dafür benötige, bleibt das Wort länger in meinem Gedächtnis hängen.

Es existiert international keine einheitliche Blindenschrift.

Wenn ein Blinder eine Fremdsprache lernen möchte, so muss er sich entscheiden, ob er auch die ggf. dazugehörige Blindenschrift lernen möchte. In diesem Fall ist zu erwähnen, dass, auch wenn in der Blindenschrift der Fremdsprache die Buchstaben dieselben sind, gibt es manchmal unterschiedliche Satzzeichen und Abkürzungen. Ich beherrsche deutsche und türkische Blindenschrift, nutze sie aber sehr selten. Während ich z. B. die indische Sprache Hindi monatelang lernte, hatte ich die Wörter auf meinem Laptop so getippt, wie man sie mündlich ausspricht.
Es spielt auch eine Rolle, welche Sprache man lernen will, und ob diese Sprache von der Sprachausgabe auf dem Computer oder Handy unterstützt wird.

Wer mehr zu diesem Thema erfahren möchte, dem kann ich meinen folgenden englischsprachigen Text empfehlen. 

https://englishwithkirsty.com/2016/08/08/my-language-learner-journey-finding-accessible-materials-as-a-blind-learner/

 

Çiğdem Gül: Zu meinen blinden Vorbildern gehören drei begabte und kreative Persönlichkeiten. Das sind Sabriye Tenberken, Kirsty Major und Yıldırım Budak.

Sabriye Tenberken ist eine in Indien lebende blinde deutsche Tibetologin, Soziologin und Philosophin. Im Jahr 1997 reiste Sabriye Tenberken alleine nach Tibet und gründete 1998 das Blindenzentrum Tibet „Braille Without Borders“ („Braille Ohne Grenzen“), welches die Arbeit in Lhasa mit der Unterrichtung von fünf blinden tibetischen Kindern im Lesen und Schreiben der tibetischen Punktschrift begann. Sabriye Tenberken entwickelte eine spezielle Brailleschrift für die tibetische Schriftsprache. Diese gilt in Tibet inzwischen als offizielle Blindenschrift.

Dann finde ich den in Ankara/Türkei lebenden blinden Sänger Yıldırım Budak grandios. Siehe bei YouTube seine Songs „Efendiler Bağı“, „Ağlama“ und „Canım Yanar“. Seine außergewöhnliche und gefühlvolle Interpretation von türkischen Volksliedern geht unter die Haut.

Und nun kommen wir zu der Schokoladenseite unseres Interviews…;-) Nun kommen wir mal zu DIR. Du gehörst ebenfalls zu meinen Vorbildern. Wir kennen uns schon seit vielen Jahren. Du hast Menschen gegenüber eine bewusst eingenommene Haltung des Wohlwollens. Deine, auch innere, Welt nehme ich als rein und wunderschön wahr. Von deiner Persönlichkeit und Begabungen ganz abgesehen.

Vielleicht erzählst Du unseren Mitgliedern und Besuchern erst einmal etwas über Dich.

Kirsty Major: Ich heiße Kirsty. Ich bin eine freiberufliche Englischlehrerin und wohne mit meinem Partner in der Nähe von London. Ich liebe Sprachen, Hunde, lange Spaziergänge, Kochen, Lesen, andere Kulturen zu entdecken, und anderen Menschen auf ihrer Reise in der Welt einer neuen Sprache behilflich zu sein.

Zu meinen Lieblingsfächern in der Schule gehörten Englisch, Deutsch und Französisch.
Seit der Schulzeit habe ich mein Französisch nicht genutzt, aber ich habe meine Deutschkenntnisse selbst und auch mit Freunden weiterentwickelt. Und vor einigen Jahren habe ich begonnen, Türkisch zu lernen.

Schreiben ist auch eine Leidenschaft von mir.
Ich habe zwei Blogs, Zum einem mein English with Kirsty– Blog für Kunden, die ihre Englischkenntnisse privat und beruflich optimieren möchten.

Zum anderen habe ich meinen Blog mit dem Titel Unseen Beauty. Dort erzähle ich meinen Lesern unter anderem über mein Leben als blinde Frau.

Ich bin eine blinde Frau und schreibe über meine persönlichen Erfahrungen. Ich kann und will nicht für alle Blinde sprechen; denn wir sind so verschieden wie alle Engländer oder wie alle Frauen mit Mitte 30. Manchmal erhalte ich in meinem Blog Feedbacks von blinden Lesern, die mir mitteilen, das sich ihnen mit meinen Geschichten aus der Seele reden würde. Es kommt aber auch vor, dass die Meinungen weit auseinandergehen. Das ist normal.

Ich möchte nicht, dass in meinem Blog als Thema die Blindheit im Mittelpunkt steht. Das fände ich ehrlich gesagt ziemlich langweilig. Es gibt so viele andere Dinge, die mich interessieren.
Wenn wir reisen, erzähle ich, ob es ein Audiotour gibt. Wenn ich über das Schminken erzähle, erkläre ich meinen Blog-Besuchern, wie ich mich schminke, ohne dabei sehen zu können. Wenn ich im Internet bei Online Shops Produkte kaufe, erkläre ich in meinen Beiträgen, ob ich irgendwelche Problem aufgrund schlechter und nicht barrierefreie Webseitengestaltung hatte. Manchmal haben die Beiträge gar nichts mit Blindheit zu tun, wie zum Beispiel, wenn ich über Hunde oder Bücher schreibe. Mein Blog „Unseen Beauty“ soll mein Leben reflektieren. Die Blindheit macht nur einen Teil meines Lebens aus. Und für mich selber, nicht der interessanteste Teil meines Lebens!

 

Çiğdem Gül: Kirsty, du hast soeben gesagt, dass Schreiben eine Leidenschaft von dir ist. Was inspiriert dich zum Schreiben?

Kirsty Major: Das ist sehr unterschiedlich. Auf dem „English With Kirsty“ – Blog beantworte ich die Fragen meiner Kunden, die in meiner Online Sprachschule für Erwachsene in Unterrichsstunden vorkommen. Ich gebe ihnen mein Wissen weiter, oder berichte ihnen aus meiner eigenen Erfahrung, wie ich die Fremdsprachen lernte.

Wenn ich Beiträge für meinen „Unseen Beauty“ – Blog verfasse, dann sind es verschiedene Dinge, die mich zum Schreiben inspirieren.

Zu meinen Inspirationen gehören vor allem meine geliebten Großeltern, die mich großgezogen haben. Sie verweilen nicht mehr unter uns, aber sie leben in meinem Herzen und in meinen Geschichten weiter. Ich bin ihnen sehr dankbar, für das, was sie mir in ihrer liebevollen Erziehung mitgegeben haben. Ohne sie hätte ich in meinem Leben bestimmt nicht so viel erreichen können.

In meinem Blog erzähle ich auch darüber, was ich neulich gemacht habe. Manchmal schreibe ich über die Produkte, die ich im Moment nutze, und welche ich gut oder nicht so gut finde. Ich abonniere einige Subscription Boxes und erhalte jeden Monat unterschiedliche Hautpflege und Schminkprodukte. Ich schreibe auch gerne, über das, was mich bewegt, z. B. weshalb ich mehrere Beiträge über Tiere verfasst und veröffentlicht habe. Manchmal stellen meine Leser eine Frage an mich, die ich in einem Beitrag ausführlich beantworte. Und manchmal benötige ich keine Inspiration, weil ich einfach nur Lust darauf habe, zu schreiben. Dann setze ich mich hin und schreibe einfach drauflos, ohne oder ohne viel nachzudenken, weil die Wörter einfach in meinem Kopf sind, die niedergeschrieben werden möchten.

Ich schaue regelmäßig nach, welche für meinen Blog relevanten Veranstaltungen oder wichtigen Tagen im darauffolgenden Kalendermonat vorkommen werden, damit ich über sie ggf. einen Beitrag verfassen kann. So sind auf diese Weise z. B. mein Beitrag über „Louis Braille Day“ (der Erfinder der Blindenschrift) und „Eselwoche“, in der auf Probleme der in schlechtem Zustand gehaltenen Eseln aufmerksam gemacht wird, entstanden.

 
 
kirsty major

Bild: © Kirsty Major (England)

 
 

Çiğdem Gül: Kirsty, was machst du beruflich? Und wie arbeitest du?

Kirsty Major: Als ich Kind war, war es einfach. Ich wollte Lehrerin werden. Aber später wurde mir klar, dass Lehrer mit Kindern arbeiten, und das wollte ich nicht. Ich wollte auch nicht unbedingt in einer Schule arbeiten. So hatte ich diese Idee aufgegeben.

Im Jahr 2012 war ich als Communications Manager in einer Abteilung des Justizministeriums in England tätig. In meinem Beruf hatte ich viel mit der englischen Sprache zu tun. Und in meiner Freizeit gab ich ehrenamtlich Englischunterricht. Zunächst durch Sprachtandems. Ich half meinen neuen Freunden bei ihrem Englisch, und sie halfen mir, die deutsche und die türkische Sprache zu lernen. Früher war ich auch ehrenamtlich als einzige Engländerin bei einer deutschsprachigen Online Plattform aktiv. Die genannten Erfahrungen bestärkten mich darin, dass ich gerne mit Sprachen arbeite, und dass man nicht nur Kindern etwas beibringen kann. Das war die Geburtsstunde für die Idee meiner eigenen Online-Sprachschule für Erwachsene, und folglich für meinen Blog „English with Kirsty“.

Ende 2012 hatte ich meine Stelle beim Justizministerium aufgegeben, damit ich beruflich meine Online-Sprachschule für Erwachsene gründen konnte. Seitdem arbeite ich hauptsächlich mit Erwachsenen in deutschsprachigen Ländern, die ihr Englisch verbessern möchten, – meistens für die Arbeit, aber auch für den Urlaub, oder wegen eines englischsprachigen Partners. Die meisten meiner deutschsprachigen Kunden leben in Deutschland, Österreich oder in der Schweiz. Viele Kunden sind ursprünglich aus anderen Ländern, wie z. B. Türkei, Russland, Bulgarien. Ich liebe es, jeden Tag etwas Neues über andere Länder und Kulturen zu erfahren.

In meinem Online-Unterricht arbeite ich nicht mit gedruckten Büchern oder Heften.

Da jeder Lernender mit seinem jeweiligen Sprachlevel im Unterricht etwas anderes braucht, erstelle ich ein individuelles Lernprogramm für sie zusammen. Ich verfasse für sie meine eigenen Grammatikübungen.
Beim Online-Einzelunterricht unterstütze ich meinen Kunden dabei, das Gelernte im Gespräch mit mir zu üben, um mehr Selbstsicherheit in der englischen Konversation zu gewinnen.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass ich z. B. viele Probleme beim Sprechen hatte, als ich die deutsche Sprache lernte. Ich wollte alles perfekt machen, und sagte lieber gar nichts, als das Risiko einzugehen, einen Fehler zu machen. Jetzt ist es besser geworden, aber ich weiß noch, wie ich mich damals gefühlt habe. Umso mehr freue ich mich, wenn meine Kunden ihre eigene Sprachhemmungen überwinden.

Auf meiner beruflichen Online-Sprachschule für Erwachsene schreibe ich nichts über meine Blindheit, weil meine Blindheit für meine Arbeit irrelevant ist und sie keine Rolle im Online-Unterricht spielt. Meine Blindheit ist nicht das Wichtigste, was mich als Englischlehrerin ausmacht, und nicht die erste Information, was der Kunde erfahren muss. Es kommt manchmal vor, dass ich meine Blindheit im Unterricht erwähne, damit der Kunde weiß, warum ich über den Bildschirm ihm nicht in die Augen schauen kann. Ich habe die technische Möglichkeit, wie ein bestimmtes Software auf meinem Laptop und meinem Handy, die die Informationen auf dem Bildschirm vorliest. Ich kann Hausaufgaben korrigieren, solange sie auf dem Computer getippt sind und nicht in Handschrift geschrieben werden. Während meines Online-Unterrichts trage ich ein Headset, damit ich meinen Laptop hören kann. Und den Text, die Grammatikfragen und/oder unsere Vokabel-Liste, die ich während des Unterrichts schreibe, lesen kann.

 

Çiğdem Gül: Wenn das Gehirn eines Menschen optisches Sehen nicht in Anspruch nimmt oder nicht in Anspruch nehmen kann, gibt es in der entsprechenden Hirnregion andere Funktionen. Blinde haben Ersatz-Wahrnehmung für das Sehen. Würdest du mir bitte Bilder zu deiner Wahrnehmung geben? 

Kirsty Major: Da ich aufgrund meines fehlenden Sehvermögens mich auf meine anderen Sinne verlassen muss, habe ich gelernt, sie besser zu nutzen. Das heißt, ich höre feiner und besser als biologisch Sehende, weil ich die akustischen Informationen unbedingt benötige, um zu wissen, was um mich herum passiert und, was die anderen im Gespräch wirklich meinen. Über die feinen akustischen Informationen, die ich erhalte, kann ich auch besser herausfinden, ob mein Gegenüber mir die Wahrheit sagt.

Es gibt Unterschiede auch unter den Blinden. Zum Beispiel können nicht alle Blinde richtig zuhören. Einige haben einen besseren Orientierungssinn, während ich einen neuen Ort mehrmals besuchen muss, um ihn mir bildlich vorstellen zu können.

Viele Menschen nutzen ihr Geruchssinn, um ein schönes Parfum zu riechen, oder die Blumen im Garten zu genießen. Ich nutze sie auch zum Orientieren. Als Kind, wenn ich die Hecke vor unserem Haus riechen konnte, wusste ich, dass ich schon Zuhause angekommen war. Jedem stehen ganz viele Informationen zur Verfügung, aber ich habe gelernt, sie zu verstehen. Das könntest du auch, Çiğdem, wenn du dich darauf verlassen müsstest. Es braucht Zeit.

 

Çiğdem Gül: Jemand, der sich mit Sehen nicht orientieren kann: Womit orientiert er sich?
Ich hatte diesbezüglich in der seriösen deutschen Zeitschrift „GEO“, Ausgabe 01/2018, einen Artikel mit dem Titel „Was können selbstfahrende Autos von Blinden lernen?“ (Seite 127) gelesen, dass blinde Menschen die Technik „Echo“ zur Ortung nutzen können, indem sie Klick- oder Schnalzgeräusche aussenden und hören, wie weit weg und wie groß ein Hindernis ist. GEO berichtete darüber im September 2013 („Ein Mädchen hört sehen“.) „Die Methode wurde nun in einer Studie analysiert, an der der US-Entwicklungspsychologe Daniel Kish beteiligt war. Er ist selbst seit früher Kindheit blind. Für die Studie wurden drei Männer ausgewählt, die mithilfe der Klicklaute in der Lage sind, zu wandern, Ball zu spielen, und sogar Fahrrad zu fahren. Die Geräusche, die sie nutzen, sind etwa drei Millisekunden kurz und liegen in einem Frequenzbereich von 2000 bis 4000 Hertz.
Erste Erkenntnis: Offenbar haben die Blinden eine Technik entwickelt, ihre Laute gezielt auszurichten. Während sich Sprache in einem Winkel von bis zu 180 Grad ausbreitet, liegen die Klicklaute innerhalb eines Kegels von nur 60 Grad. Die Wissenschaftler wollen nun mit technisch erzeugten Klicks versuchen, die Echo-Ortung der Blinden nachzuvollziehen. Die Technik ließe sich dann zum Beispiel für selbstfahrende Autos nutzen.“

Liebe Kirsty, kannst du bestätigen, dass Blinde die Technik „Echo“ zur Ortung nutzen?

Kirsty Major: Einige Blinde nutzen sie. Ich kann aber nicht viel dazu sagen, da ich andere Orientierungsmethoden vorziehe. Ich habe neun Jahre lang mit einem Blindenführhund gearbeitet. Das war für mich eine herrliche Erfahrung. Wir haben zusammen als Team gearbeitet. Ich habe die Richtung vorgegeben, und mein damaliger Hund hat mich alle Hindernisse ausweichen lassen. So konnte sie Dinge wie Treppen oder Türe für mich finden. Aktuell bin ich mit Blindenstock unterwegs, Es gibt Apps, die Blinde bei der Orientierung unterstützen. Sie können zwar den Hund und/oder den Blindenstock nicht ersetzen, aber sie geben weitere Informationen darüber, was um einen herum ist, und wie man zu seinem bestimmten Ziel ankommt.

Es wäre mir persönlich sehr unangenehm, wenn ich als Blinde in der realen Öffentlichkeit aufgrund der Click-Technik negativ auffallen würde, weil die meisten Menschen diese Geräusche nicht machen. Ich bezweifle auch, dass diese Technik auf sehr vollen und belebten Straßen gut funktionieren würde. Daher nutze ich andere Methoden. Solange keine Sicherheitsrisiken einhergehen, sollte jeder das tun, was zu ihm am besten passt.

 

Çiğdem Gül: Woher weißt du als Blinde, wie andere Menschen empfinden?

Kirsty Major: Es ist wahr, dass ich einiges verpasse. Manchmal ärgere mich als Blinde, weil mir aufgrund meines fehlenden Sehvermögens in der realen Kommunikation und in Situationen mit anderen Menschen so viel entgeht, weil ich z. B. die Blicke und die Körpersprache meines Gegenübers nicht sehen kann. Ich sehe nicht, wenn jemand traurig ist. Ich weiß nicht, wenn mich jemand anlächelt oder mir einen genervten Blick zuwirft. Aber andererseits erkenne ich viele Dinge, die die biologisch Sehende um mich nicht wahrnehmen, weil ich sehr genau hinhöre. Damit meine ich nicht nur die einzelnen ausgesprochenen Worte, die mein Gegenüber sagt. Ich meine auch die Sprechpausen. Zum Beispiel, wie die Stimme aus einer anderen Richtung kommt, weil mein Gegenüber gerade wegguckt. Oder die Dinge, die einer nicht sagt, wenn jemand lacht, und das Lachen nicht echt klingt. Aber auch, wenn jemand behauptet, dass alles ok sei, aber seine Stimme dabei sehr traurig klingt. Es passiert mir tatsächlich, dass mir viel früher bestimmte Dinge erkenne, bevor sie meinen sehenden Freunden auffällt.

 

 – Ende Teil 1 –

 

Çiğdem Gül's portrait

© Çiğdem Gül 

Gründerin & Moderatorin
des Interkulturellen Netzwerkes für Hochbegabte

Diplom-Ökonomin

Change Management Consultant

Business Coach

Interkultureller Coach für Hochbegabte & Hochsensible

Online Marketing Managerin

Freie Journalistin

http://cigdemguel.de/

https://interkulturellhochbegabte.blogspot.com/

 
 

Interview Teil 1 – englische Übersetzung von Kirsty Major: 

siehe: „ENGLAND: Kirsty Major speaks about blindness, giftedness and Brexit – part 1″

 

Interview Teil 2

siehe: „ENGLAND: Kirsty Major über Blindheit, Begabung und Brexit – Teil 2″

 

Interview Teil 2 – englische Übersetzung von Kirsty Major: 

siehe: „ENGLAND: Kirsty Major speaks about blindness, giftedness and Brexit – part 2″

 
 
 
 
 

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