Jürg Bolliger: Anerkennung und Selbstwert


Hast du dich schon einmal auf einen zugefrorenen See oder Weiher gewagt? Und hast du dich dabei gefragt, ob das Eis dein Gewicht hält? Wenn es nicht hält, hat das gravierende Folgen: ein Bad im eisigen Wasser. Lebensgefahr!

Ob das Eis hält oder nicht, ist unter anderem von der Dicke der Eisschicht abhängig. Dickes Eis ist sicher, während dünnes Eis gefährlich ist.In der letzten Folge des TA audio Podcasts habe ich im Gespräch mit Christin Nierlich Eisschichten in Zusammenhang mit Lob und Zuwendung erwähnt. Im Beitrag Was jemand tut, ist nicht, was jemand ist
habe ich bereits darüber geschrieben. In diesem Beitrag nehme ich den Gedanken noch einmal auf.

Strokes

In der Transaktionsanalyse wird jede Form von Anerkennung als Stroke bezeichnet. Eine solche Einheit der Anerkennung kann positiv oder negativ sein. Das englische Wort strokekann für einen Schlag stehen oder auch für eine Streicheleinheit. Da ein entsprechendes deutsches Wort fehlt, wird im meist auch im deutschsprachigen Raum der englische Begriff verwendet. Ein Stroke kann an eine Bedingung (Verhalten, Aussehen etc.) geknüpft werden oder bedingungslos sein. Kombiniert man bedingungslos/bedingt mit positiv/negativ ergeben sich vier Arten von Strokes:

  • positiv – bedingungslos (Wertschätzung)
  • positiv – bedingt (Lob)
  • negativ – bedingt (Kritik)
  • negativ – bedingungslos (Ablehnung)

Alle Strokearten können mit Worten oder ohne Worte vermittelt werden.

Grundlage für Selbstwert und Selbstvertrauen

Ein Kind braucht in der ersten Phase seines Lebens positive, bedingungslose Anerkennung. Das Mass, mit welchem es sich willkommen und geliebt fühlt, wird Einfluss auf das aktuelle und spätere Selbstwertempfinden haben. In der Eismetapher gesprochen, wird hier bestimmt, wie dick und somit tragfähig die Eisschicht wird. Später wird das Kind Lob erfahren. “Das hast du gut gemacht.” Diese positiv-bedingte Form der Anerkennung baut Selbstvertrauen auf. Weiter ist dann auch Kritik wichtig, damit das Kind lernt, wo die Grenzen sind und welches Verhalten nicht toleriert wird. Negativ-bedingungslose Strokes sind nur destruktiv und werden idealerweise einem Kind nicht vermittelt. Was für Kinder gilt, gilt auch für Erwachsene:

Basis für ein gutes Selbstwertempfinden sind positiv-bedingungslose Strokes (Wertschätzung) und
für Selbstvertrauen positv-bedingte Strokes (Lob).
Dabei haben die früheren Erfahrungen genauso wie das aktuelle Erleben ihren Einfluss.

Strokeschichten

Grafisch dargestellt sieht das so aus:

Obwohl die negativ-bedingungslosen Strokes destruktiv und daher nicht wünschenswert sind, werden sie im Alltag leider trotzdem vermittelt. Sind die beiden unteren Schichten genügend tragfähig, hat diese destruktive Form der Anerkennung in der Regel keine schwerwiegenden Folgen.

Geringes Selbstwertgefühl

Sehen die Strokeschichten so aus, wird diese Person sich durch ihre Leistung definieren. Fehlender Erfolg wird eine Krise zur Folge haben, weil die Basis des Selbstwertes fehlt bzw. zu schwach ist.

Geringes Selbstvertrauen

Erhält jemand zusätzlich auch wenig Lob, wird auch das Selbstvertrauen eher klein sein. Hat sich das über die Jahre eingespielt, wird die Person Mühe haben, Lob anzunehmen. Es kann dann sogar sein, dass unbewusst Fehler und Misserfolg herbeigeführt werden, um die bekannten Strokes zu erhalten.

Selbstwert und Selbstvertrauen aufbauen

Es gibt kein Rezept, um das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zu erhöhen. Und vor allem wird das auch nicht etwas sein, das von heute auf morgen erledigt ist. Doch wenn du bewusst den Kontakt und Zeit mit Menschen suchst, die es gut mit dir meinen und dir positive Strokes geben, wird sich diesbezüglich etwas verändern. Willst du dein Selbstwertgefühl stärken, dann verbringe Zeit mit Leuten, von denen du positive, bedingungslose Anerkennung erhältst.

Es braucht nicht viele Menschen, die dich so annehmen wie du bist,

um dein Selbstwertempfinden zu steigern.

Qualität ist hier wichtiger als Quantität.

Hast du eine gute Basis des Selbstwert, doch es mangelt an Selbstvertrauen, dann suche nach Möglichkeiten und Menschen, von denen du echtes Lob erhältst. Auch hier gilt: Qualität geht vor Quantität.

Jürg Bolliger, 2015
Der oben stehende Inhalt ist von Jürg Bolliger verfasst und illustriert
(alle Rechte bei Jürg Bolliger, Schweiz).
Sein Blog findet sich hier:

http://www.transaktionsanalytiker.ch/

Wenn du wissen möchtest, was eine Transaktionsanalyse ist…
http://www.transaktionsanalytiker.ch/transaktionsanalyse/

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